Kapitel 27 - Ein Kristall für den Geist




Kristall-Notiz von Maya Schiatterella, Donnerstag, der 20. November 2008 / original in Nayaren verfasst (die hier erwähnten Zeiten entsprechen zum besseren Verständnis jenen auf der Erde) 


Nun nachdem ich körperlich in eine besseren Verfassung gelangt bin, sich die Aufgeregtheit deutlich gelegt hat und sich auch das Gefühl der totalen Niedergeschlagenheit sowie des Verlorenseins spürbar abgeschwächt hat, fühle ich mich endlich in der Lage, von den Geschehnissen zu berichten. Darüber, worüber ich niemals werde mit anderen Menschen dieser Zeit sprechen können. Eine Notiz zu hinterlassen, ist für mich die einzige Möglichkeit, diese ganze Sache vernünftig zu verarbeiten. Es ist ja praktisch wie ein Erzählen, nur dass dabei nicht die Lippen bewegt werden, sondern der Geist etwas in die winzigkleine Kristallstruktur notiert, wo diese Erfahrungen und das Erlebte auf Ewig werden gespeichert bleiben.  Während ich das tue, herrscht draußen vor dem Fenster meines Klinikzimmers die Nacht. Auf den Fluren jenseits der Tür ist es wundervoll still. Nur gelegentlich dringt der Klang des Fußschrittes der Nachtschwester oder des Rauschens einer Toilettenspülung irgendwo im Gebäude an mich hier auf meinem Bette in der Dunkelheit heran. Diese Klänge kommen mir ziemlich gedämpft vor, als stammten sie aus einem anderen Universum. Doch sollte ich nun beginnen mit meinem Bericht, den nie einer der Diesigen hören und - wenn unwahrscheinlich doch - sicherlich nicht glauben wird.

Alles ging schief. Der größte anzunehmende Unfall trat ein, für dessen Auftreten die Wahrscheinlichkeit doch von den Raumzeittologen als derartig niedrig eingestuft wurde, dass es wahrscheinlicher sei, von dem Schlag eines Blitzes getroffen zu werden. Doch es bringt mir hier jetzt nicht viel, mit Wahrscheinlichkeiten um sich zu werfen. Jedenfalls sollte ich von meiner Zeit aus weit zurückreisen und dabei auf Naddameen verbleiben. Geplant war, mich in eine sehr frühe Zeit zu einer Hochkultur des Planeten zu schicken; eine Zeit, zu welcher auf Naddameen noch keine Erdlinge weilten, sondern lediglich die nativen Naddameener. Das Ziel der Reise war jene Zeit, in welcher ein gewisser Ronald van Schriever und dessen Gattin Kim jene spirituellen Überlegungen starteten, aus denen drei Jahrhunderte später die Organisation Bewahrer des Glaubens hervortreten sollte. Mein Auftrag lautete deutlich und klar, die Eheleute rasch zu liquidieren und umgehend in meine eigene Zeit zurückzukehren. Damit man sich das einmal vor Augen führt; ich sollte zweitausendneunhundertfünfzig Jahre, nachdem die ersten Kolonisten von der Erde auf Naddameen in Erscheinung getreten waren, über viele Äonen zurückreisen zu einer Zeit des Planeten, da auf diesem das erste Goldene Zeitalter der Naddameener vorherrschte und es zeitgleich auf der Erde logischerweise noch keinen einzigen Erdling gab, wir nur kleine Planspiele und noch nicht einmal eine konkrete Idee waren. Den Tieren und den Pflanzen gehörte damals diese Welt auf dem blauen Planeten, welcher bis heute um einen gelben Stern der Spektralklasse G2V kreist. Aber auf Naddameen, der in etwas mehr als zehn Lichtjahren Entfernung von der Erde entfernt einen Roten Zwerg umrundet, herrschte dieser Tage bereits wahre Aufbruchstimmung und das Gefühl dazu, an den Schwellen neuer Welten zu stehen, was eigentlich auch eine ziemlich gute Beschreibung der Zustände war. In diese Zeit sollte mich also eine Raumzeitmaschine vom Typ GIV-27C bringen. Die GIV-27C war keine reine Zeit-, sondern auch eine Raummaschine der vierten Generation, welche den Raum auf eine Distanz von etwa fünfundzwanzig Lichtjahre zu krümmen in der Lage war. Mit ihr konnte man also gezielt zu bestimmten Zeiten an bestimmte Orte in dem besagten Umkreis reisen, ohne sich theoretisch, wenn man sie denn dort platziert hätte, die eigenen vier Wände zu verlassen. Ach, vielleicht sollte ich noch erwähnen, warum ausgerechnet ich auf diese Reise geschickt wurde. Zu jener Zeit, welche nun auf eine Art, wie ich hier in dem Krankenzimmer hocke, gefühlte Vergangenheit, tatsächlich aber sehr weit entfernte Zukunft darstellt, hielt ich auf Naddameen den Rang eines Majors in der Spezialeinheit Schwarze Barette inne, die immer dann zum Einsatz kam (wenn wir es richtig chronologisch verfassen wollen, so müssten wir eigentlich --zum Einsatz kommen werden-- sagen), wenn die Interessen und Bürger der Eine-Welt-Regierung und deren Kolonien in Gefahr gerieten. Ich reiste in eine Epoche mit bereits sehr weit fortgeschrittenen Humanoiden darin und ich durfte keine Spuren meines Abstechers und meiner Tat hinterlassen. Daher sollte ich als Waffe eine Mind Controller 47 benutzen, mit der man temporär den Geist des Gegenübers kontrollieren kann. Sie erlaubte es mir, den Mord so aussehen zu lassen, als habe van Schriever seine Frau aus dem Nichts heraus getötet und danach sich selbst gerichtet. Sowas kommt in allen Zivilisationen immer mal wieder vor. Insgesamt würde ich nicht mehr als achtundvierzig Stunden unter den Naddameenern verbringen. Die Sprache der Zielzeit beherrschte ich perfekt, wurde sie doch in den Kristall eingespielt. Eine KI hatte sie in Grammatik, Syntax, Wortschatz und Aussprache hundertprozentig rekonstruiert. Ein Android mit besagter KI hätte theoretisch auch den Auftrag ausführen können (was mit vielen Vorteilen einhergegangen wäre, um nur den fehlenden Streß, die fehlende Aufregung, die Risikovermeidung zu nennen), aber zur damaligen Zeit waren bei den Naddameenern noch keine Androiden in der Gesellschaft integriert. Es gab sie, aber nicht im alltäglichen Leben. Obgleich wir im Jahre 12275 nach Gründung der Eine-Welt-Regierung bereits seit drei Dekaden Zeitreisen nutzten (wovon der gemeine Mensch jedoch nichts wusste), war ein solcher Vorgang noch immer gewaltig und erforderte eine monatelange Vorbereitung. Quantencomputer mussten den Chronoraum der Passage genau berechnen, die Xenabith-Kristalle im Anschluss daran präzise darauf geeicht werden. Das Laden des GrRaZeAg erforderte viele Wochen. Insgesamt bindet eine einzelne Passage hunderte von Menschen und Maschinen. Somit galt es, vor meiner Reise einiges zu erledigen. Doch endlich war es soweit. In einem unscheinbaren Kasernenhof setzte ich mich auf die Zeitmaschine, im Gepäck lediglich die Waffe, ein Satz Kleidung, welche zur Zielzeit bei den Naddameenern als Standard galt und ein wenig Geld der Zielzeit, um mir in den wenigen Stunden meines Aufenthaltes das Nötigste kaufen zu können. Es war dieses nach einem Probelauf die zweite Reise solcher Natur für mich. Nachdem ich auf dem Stuhl der Maschine Platz genommen hatte, verband die Crew den Spezialanzug mit einigen Anschlüssen der Apparatur. Man stülpte mir den spiegelnden Helm über den Kopf und sofort war ich in dieser halbvirtuellen Welt, welche eine Zeitreise mit sich brachte. Koordinatenkreuze, Zahlen und Buchstaben mischten sich mit der Szenerie des grauen Kasernenhofes, der nun bei dem Blick durch das Visier noch ein wenig finsterer daherkam. Der Countdown lief herab. Ich sah, wie alle beteiligten Crewmitglieder, ob sie nun Mensch oder Roboter waren, den Hof aus den vorgegebenen Sicherheitsgründen verließen. Nun war ich ganz alleine mit der Maschine. Der Countdown lief weiter herab und die letzten Sekunden dehnten sich zu Ewigkeiten. Als die roten Zahlen in meinem Sichtfeld die 0 erreichten, leitete die KI an Bord die Reise ein. Wenn man es nüchtern betrachtet, war es ein recht unspektakulärer Vorgang. Für einen kurzen Augenblick erschien es mir, als blickte ich auf die Bilder eines Teleskopes, welche eine Ansammlung an diversen Galaxien in allen Farben zeigten, während ein Kribbeln den gesamten Körper überlief. Dann gab es einen hellen Blitz, der mich die Augen zusammenkneifen ließ, was ebenfalls zum normalen Ablauf gehörte. Er hielt lediglich für die Dauer einer Sekunde an, bevor die Passage auch schon vorüber war. 

Weil das Licht, welches der Rote Zwerg seinen Satelliten spendet, geringer ist als das anderer Sterne, haben die Pflanzen der bewohnbaren Planeten dunkle Blätter, damit sie möglichst viel von eben diesem Licht absorbieren können. Auch der Schein des Tages kommt somit wesentlich schwächer daher, so dass es stets schummerig, dämmerig, dunkler dort ist. In einem Wald herrscht auf solchen Planeten wegen der Kombination aus ohnehin weniger starkem Sonnenlicht und der schwarzen Blätter fast permanente Dunkelheit. In einem Wald sollte ich auch ankommen, um dort die Maschine zu tarnen und im Anschluss mich auf in die nahe Stadt zu machen, wo van Schriever lebte. Doch ich fand mich inmitten von Ästen wieder und das Licht war hell und klar. Dann stürzte ich mitsamt der Zeitmaschine hinab und überschlug mich mehrfach, wobei diese Überschläge von meinem Empfinden her in Zeitlupe abliefen und mich der Schutzkäfig der GIV-27C sowie mein Helm vor dem Ärgsten bewahrten. Während meiner unfreiwilligen Salti nahm ich deutlich das goldene Sonnenlicht wahr, welches durch kahle Baumkronen fiel. Dann kam die Maschine zum Liegen und ich befreite mich von dem Gurtsystem. Ich befand mich auf einer Lichtung und die Strahlen des Zentralgestirns schienen gelblich von einem prächtig blauen Himmel herab. Auf Naddameen sah das Blau des Firmaments wesentlich blasser aus. Die Szenerie hier kannte ich nur aus den Unterhaltungsfilmen, welche zwar im Studio gedreht, aber nach wissenschaftlichen Leitfäden und nach historischen Überlieferungen produziert worden waren. Diese Filme spielten immer auf der Erde. Es gab einen Baum, der Blätter trug und diese Blätter waren Nadeln. Nadelbäume existierten auch auf Naddameen, den wir Menschen sehr viel früher Singer C2 (nach seinem Entdecker Sylvester Abraham Singer) genannt hatten. Aber die dortigen Nadelbäume besaßen schwarze Blätter, während die diesigen grünlich waren. Schnell wurde mir klar, dass ich mich auf der Erde befand. Statt an einem genau festgelegten Ort auf Naddameen war die Maschine an einem unbestimmten Ort auf der Erde, ganze 10,2 Lichtjahre entfernt, gelandet und zwar Mitten in der Krone eines kahlen Laubbaumes, von dem sie dann den Gesetzen der Schwerkraft folgend abstürzte. Aber die GIV-27C war, wie erwähnt, neben einer Maschine zum Überbrücken von Distanzen im Raum auch eine Konstruktion zum Überbrücken der Zeit. In welchem Jahr befand ich mich also und an welchem Ort genau? Der Helm, den ich immer noch trug, besaß eine Vorrichtung, die meine Gedanken mit der KI von GIV-27C verbinden konnte. Diese KI hatte ich kurz vor meiner Abreise Jeff getauft.  

-Hey, Jeff, kannst du mir sagen was passiert ist? Diese Reise ging ja wohl vollkommen in die Hose.-

--Hey Maya. Wir sind vom Weg abgekommen, weil es eine extreme kosmische Störung just in dem Moment gab, da wir auf die Reise gegangen sind. Wahrscheinlich waren es die Auswirkungen einer längst vergangenen und weit entfernten Supernova. --

-Kannst du mir bitte sagen, wo wir sind und in welcher Zeit?-

--Planet Erde; wir befinden uns zeitlich vor der Großen Wende durch die Weltregierung. Nach der alten Datierung ist es jetzt Montag, der 10. November 2008. Wir befinden uns räumlich im südlichen Teil eines Landes, welches sie damals Deutschland nannten, beziehungsweise heute Deutschland nennen. Es ist 11:02 Uhr Ortszeit.--

-Dann sind wir also so verkehrt, wie wir nur verkehrt sein können. Bereite bitte die Maschine vor. Wir kehren umgehend zu unserem Ausgangspunkt in Raum und Zeit zurück. Die Mission ist fehlgeschlagen.-

--Es tut mir leid, Maya, aber das ist nicht möglich. Dafür benötige ich die volle Leistung. Durch den Absturz von dem Baum ist etwas beschädigt worden. Mir ist es aktuell nicht möglich, mit mehr als 25 Prozent zu arbeiten. Und selbst das fällt mir schwer.--

-Können wir dich reparieren?-

--Ein ganzes Expertenteam aus Mensch und KI könnte es vielleicht. Wir zwei hier werden das nicht schaffen.--

-Dann haben wir also ein GIZ. - 

So stellte ich es logischerweise fest und die Erkenntnis ließ sich mich unendlich verloren und deprimiert fühlen; GIZ = gestrandet in der Zeit, der größte anzunehmende Unfall bei einer Reise von solcher Natur. Es gab genaue Anweisungen, wie man sich bei diesem Vorfall zu verhalten habe. Zunächst ließ ich mir alle Informationen über das Jahr 2008 in Deutschland auf dem Planeten Erde, welche Jeff besaß, in den Kristall übertragen. Viele waren es leider nicht. Danach galt es die GIV-27C zu verstecken, obgleich feststand, dass sie irgendwann gefunden würde. Mit dem Klappspaten aus dem Notgepäck hob ich am Rande der Lichtung eine Kuhle aus, in die ich die Maschine unter größten Mühen hineinwuchtete, um sie im Anschluss durch Äste und Laub zu tarnen. Die Kleidungsstücke für den Auftrag auf Naddameen waren an diesem Ort und in dieser Zeit, das galt als sicher, unbrauchbar. Ich beschloss, den Chronoanzug anzubehalten, nachdem ich den Helm und die Waffe etwas abseits zwischen den Bäumen vergraben hätte. Ohne Helm konnte GIV-27C nicht betrieben werden und es sollte eventuellen Findern der Maschine so schwer wie möglich gemacht werden, deren Funktion zu erfassen oder gar das Gerät zum Laufen zu bringen. Und über eine Waffe, welche den Verstand des Gegners erobert, brauchen wir an dieser Stelle wohl nichts weiter zu sagen. Bevor ich den Helm in einem recht tiefen Loch platzierte, verabschiedete ich mich telepathisch von Jeff. 

-Ich mache mich jetzt auf den Weg und versuche irgendwie in dieser Welt zu überleben.-

--Und ich werde mich jetzt herunterfahren. Entweder schlafe ich für die Ewigkeit oder es gelingt einem eventuellen Finder, mich zum Laufen zu bringen, was ich jedoch bei dem Technikverständnis der Menschen dieser Zeit bezweifel. Vielleicht werde ich gefunden, man mottet mich in einem Spezialbehälter ein und in vielen tausend Jahren schafft es dann endlich jemand, mich in Betrieb zu nehmen.--

-Na, hoffentlich kommst du dann nicht in irgendeine Problemfamilie. So mit Drogensucht und Alkoholismus und Rassismus gegenüber solchen Siliziumgenies wie dir. Stell dir vor, dein Auffinden und deine Inbetriebnahme eines fernen Tages lösen die Anti-Silizium-Bewegung erst aus. Das kann bei einem GIZ durchaus passieren.-

--Du hättest Autorin für Trivialliteratur werden sollen. Dann würdest du jetzt irgendwo auf Naddameen in der warmen Schreibstube hocken anstatt mit mir im Herbst 2008 auf der Erde.--

-Na, danke, dass du so an meine literarischen Fähigkeiten glaubst. Schlaf gut, Jeff. In einem anderen Teil des Multiversums ist alles gut. Da führen wir unseren Auftrag erfolgreich aus.-

--Gute Reise, Maya und viel, viel Glück. Pass auf dich auf!--

Und so machte ich mich mit meinen paar Kraftriegeln und dem Komprogetränk aus dem Notfallgepäck auf den Weg in eine vollkommen fremde Welt hinein. Wenn die Sonne unterging, und das tat sie zu dieser Jahreszeit sehr früh, kam die Kälte rasch durch den Chronoanzug. Auf Naddameen gibt es keine Jahreszeiten. Wegen der gebundenen Rotation herrschen in der bewohnbaren Zwischenwelt stets wundervolle 25 bis 30 Grad Celsius. Davon konnte ich, als ich den Wald verließ, nur träumen. Die Vorschriften der Geheimen Behörde für Zeitreisen sagt ganz klar aus, dass der Chrononaut sich im Falle eines GIZ-Unfalls möglichst weit von den Bewohner der Zeit, in welcher man eben gestrandet ist, fernzuhalten habe. Denn jeder Kontakt, jede Interaktion könne theoretisch gewaltige Auswirkung auf die Zukunft haben, die doch teilweise bereits längst Vergangenheit darstellt. Jedenfalls wenn man es von einer bestimmten Perspektive aus betrachtet. So wandelte ich in gehörigen Abständen der großen Straßen und Siedlungen, schlich über Feldwege und Trampelpfade einem Ziel entgegen, welches nicht existierte. Ich nächtigte in einsamen Scheunen und zog mir rasch eine Erklärung zu, die immer schlimmer wurde. Zügig gingen sowohl meine spärlichen Vorräte als auch meine Kräfte aus. Nun reifte in mir die Erkenntnis, dass die Vorschriften der Behörde vorallem zweierlei waren; zum einen waren sie schlicht und einfach scheiße (entschuldige bitte die vulgäre Ausdrucksweise). Zum anderen führten sie in den Selbstmord, nur dass ein frei gewählter Selbstmord wesentlich zügiger zu haben war. Ich jedoch, es stand ohne den Hauch eines Zweifels fest, wollte leben und fasste einen Plan. Ich studierte all die Infos über das Jahr 2008 auf der Erde, welche Jeff auf den Kristall für den Geist gespielt hatte. Ich begab mich in die nächste Siedlung, eine sehr kleine Stadt und in einen Supermarkt, um einen Ladendiebstahl zu begehen. Ich musste einfach überleben. Als mich eine Frau beim Diebstahl ertappte, fing ich vor lauter Kraftlosigkeit und Verzweiflung tatsächlich zu weinen an. 

Der Plan, den ich nach meinen Infostudien über 2008 entwickelt hatte, ist aufgegangen. Ich befinde mich an einem warmen Ort, konnte mich genesen und bekomme zu Essen. Selbstverständlich darf niemand herausfinden, wer ich tatsächlich bin und woher ich komme. Das würde unbeschreibliche Konsequenzen nach sich ziehen. Daher mache ich hier auf die geheimnisvolle Patientin, die den größten Teil ihrer Erinnerungen verloren hat und sich hart ins Leben zurückkämpfen muss. Ich tue das in einer Welt viele Jahrtausende vor meiner eigentlichen Geburt. Als mir Frau Doktor mit der Mathematik kam, konnte ich einfach nicht anders und musste voll loslegen. Es war irgendwie eine Frage des Stolzes. Außerdem war mir langweilig. 

Für die nähere Zukunft habe ich mich entschieden, in der Klinik zu bleiben. Hier bin ich sicher. Die Behörden des Jahres 2008 können nichts über mich herausfinden, weil ich nicht existiere. Es liegt also zum größten Teil in meiner Hand, dieser Welt glauben zu machen, wer ich bin oder sein könnte. Ich glaube, so viel Einfluss auf seine Zukunft hat wohl kaum jemand in diesem Universum. Ich werde weiter diese für mich vollkommen fremde Sprache lernen und alles andere auf mich zukommen lassen. Immerhin sind die Zahlen gleich. Zudem finde ich Rosie und die junge Frau Doktor echt nett. Nur in einer Sache muss ich wahrlich vorsichtig sein; von der Technik dieser Zeit dürften die Mediziner sicherlich in der Lage sein, Körperscanns durchzuführen. Das eine solche Untersuchung bei mir durchgeführt wird, gilt es zwingend zu vermeiden, jedenfalls im Bereich des Kopfes. Denn sonst werden sie ihn finden; den Kristall für den Geist.