Kapitel 4 - Die Stiftung (Roter Stern)


Experiment - Ich weiß noch nicht genau, wie es nachher aussehen wird, aber mir steht der Kopf nach einer Science-Fiction-Erzählung in Form von Nachrichten, Tagebucheinträgen und Briefen in virtueller und analoger Form. Die Handlung soll sich über viele Jahrhunderte erstrecken und ein Exoplanet steht im Mittelpunkt. Und somit habe ich einfach angefangen und mache fleißig weiter... 

Carl Dettmer / Niederwall 3 / 4800 Bielefeld 1


Bielefeld, den 18. März 1990


Mein lieber Harald,


vielen Dank für Deinen Brief, über den ich mich wie immer sehr gefreut habe. Es ist wundervoll, zu lesen, dass es Margot und Dir gut geht. Auch wir wollen uns mal nicht beschweren. Es könnte natürlich immer einen Ticken besser sein, aber auch wesentlich schlechter. Thea und ich sind froh, dass wir gesund sind und fangen langsam an, uns Gedanken zu machen, wie wir den beruflichen Ruhestand verleben wollen. Ich muss ja nur noch fünf Jahre arbeiten und Thea sieben, wobei sie sich überlegt, frühzeitig mit mir zusammen in Rente zu gehen.

Aktuell sind meine Tage recht ausgefüllt, weil ich neben dem Beruflichen noch dabei bin, den Haushalt meines verstorbenen Vaters Günther aufzulösen. Ich habe Dir ja von seinem Tode im Alter von neunzig Jahren berichtet. Es ist unglaublich, wie viele alte Bücher mein Vater zu Lebzeiten besessen hat. Sein ganzes Haus vor den Toren der Stadt ist voll davon. Stellenweise stammen sie gar noch aus dem 18. Jahrhundert. Das älteste Buch, welches mir unterkam, wurde anno 1745 gedruckt. Natürlich wusste ich von Papas Liebe zu alten Büchern und dass er stellenweise weit fuhr, um etwa welche auf Märkten oder in Antiquariaten zu kaufen, aber dass es so viele sind, hat mich dann doch schon ein klein wenig überrascht. Vom Speicher bis hinab in dem Raum neben dem Werkzeugkeller gibt es eigentlich kein Zimmer, welches nicht Bücher beherbergt. Ich kann diese Bücher unmöglich behalten. Wo soll ich sie denn hintun, wenn ich nicht Platz in einem Lagerhaus miete? Das Haus von meinem Vater bietet sich nicht an, denn ich möchte es gerne an eine Familie vermieten. Also habe ich mich entschieden, dass ich die Werke an diverse Antiquariate verkaufe und den Erlös der Lina Oetker-Stiftung für benachteiligte Kinder und Jugendliche zukommen lasse. Das wäre sicherlich ganz in Günthers Sinne, denn er stand dieser Stiftung zu Lebzeiten sehr nahe. Er war eifriger Spender an sie und zudem eng mit der ehemaligen Vorsitzenden Doktor Waltraud Junker befreundet. Ja, ich bin mir sicher, dass mein Vater, wo auch immer er sich gerade befindet, in dieser Sache voll und ganz hinter mir steht. Und natürlich sind da kistenweise Fotos, Dia, Negative. Deren Sichtung wird wesentlich mehr Zeit in Anspruch nehmen als jene der Bücher. Ich werde alle Bilder behalten, die mit der Familie und tieferen Erinnerungen in Verbindung stehen, und die übrigen dem Heimatmuseum zu Bielefeld spenden. Ich denke, ein kleines Museum, das um jede Mark Budget kämpfen muss, freut sich sehr über Artefakte solcher Art. Zudem bin ich auch hier mir sehr sicher, dass mein Handeln im Sinne des Verstorbenen liegt.

So, mein guter Harald, jetzt weißt Du also, wie meine Tage aktuell aussehen. Und damit verabschiede ich mich auch für heute, denn ich stehe auf dem Sprung zum Hause meines Vaters, um weiterhin den Nachlass zu sichten. Es gibt viel zu tun. Ich freue mich auf Deine Antwort und wünsche Dir eine gute Zeit. Grüß bitte Margot und das schöne Tübingen von mir. Ich denke oft voller Freude an unsere gemeinsame Studienzeit dort zurück. Manchmal kommt es mir vor, als sei es erst gestern und nicht Mitte der 50er-Jahre gewesen. 

Ganz viele liebe Grüße 


Dein guter Freund Carl