Kapitel 15 - Entwarnung




Rundschreiben innerhalb der Organisation Bewahrer des Glaubens und der Obersten der Gläubigen, Montag, 7. März 2039, per interner Messengerdienst

Liebe Schwestern und Brüder im Glauben,

zunächst hoffe ich sehr, dass Euch meine Zeilen bei bester Gesundheit und frohem Mute erreichen. 

Ich verfasse diese Infonachricht, da mich sehr viele Anfragen von allen Seiten erreichen, welche sich auf die bevorstehende Reise der noch namenlosen Sonde hin zum Exoplaneten Singer C2 beziehen. Hierbei werde ich gefragt, ob diese Mission, die von der Welt so gefeiert wird, nicht eine ernsthafte Gefahr für unsere Sache darstelle.

Jener Planet, den sie nach dessen Entdecker, dem Astronomen Richard Singer, benannt haben, welcher bei uns aber schlicht Pandämonium heißt, liegt bekanntlich über zehn Lichtjahre von unserer Heimat entfernt. Der Prophet Takara beschreibt ihn als unvorstellbare Schönheit in seiner äußeren Erscheinung, unter welcher jedoch die gähnenden Schlunde der Hölle liegen. In diesen Abgründen findet man endlich das größte Fanal der Menschheit, welches niemals entdeckt werden darf, da es ewiges Unheil für uns alle bedeutet. Aufgrund dieser Aussage Takaras, an der nicht gezweifelt werden kann, seht Ihr die Gefahr. 

Doch an dieser Stelle möchte ich Euch aus diversen Gründen Entwarnung geben. Zunächst einmal handelt es sich bei Project Starshot um eine Miniatursonde, welche lediglich Fotos des Planeten macht, nachdem sie nach ihrer Ankunft im Sternensystem Singer durch den Strahlungsdruck des Zentralgestirns abgebremst worden ist. Das kleine Raumschiff wird also niemals auf dem Planeten landen und selbst wenn, wäre die Chance auf eine heikle Entdeckung so gering, dass sie lediglich mathematisch darstellbar ist. Anders sehe es bei einer gezielten Mission mit Landfähren aus, die ganze Schwärme von durch KI geführten Drohnen entsenden, um den gesamten Planeten zu erkunden. Doch dieses ist aktuell ein unmöglich in die Tat umzusetzendes Vorhaben. Eine solches Unterfangen würde ein Raumschiff erfordern, welches gigantische Ausmaße besitzt. Dieses Raumschiff benötigt einen Ionenantrieb, um auf eine Geschwindigkeit zu kommen, die eine Reise zu einem Nachbarstern überhaupt vom Zeitlichen her sinnvoll macht. Damit sie diese Geschwindigkeit erreicht, braucht sie Unmengen an Treibstoff, der in Tanks mitgeführt werden müsste. All das ist nach Meinung unserer Experten in den nächsten hundert Jahren noch nicht annähernd darstellbar. Weiterhin geht die winzige Sonde auf eine unvorstellbar lange Reise von Abermilliarden Kilometern durch den interstellaren Raum. Daher steht überhaupt nicht fest, ob sie überhaupt ihr Ziel erreicht. Zu viel kann passieren auf dem Weg. Und falls sie es doch schafft, muss zunächst die Bremsung gelingen und das Schießen und Zurücksenden der Fotos. Glückt das nicht, ist die Mission ebenfalls gescheitert. Aktuell schwimmt der größte Teil der Menschheit auf einer unglaublichen Welle der Euphorie wegen des Projektes Starshot, so dass in der kollektiven Vorstellung ein Scheitern, welches durchaus im höheren Wahrscheinlichkeitsbereich möglich ist, nicht oder lediglich gering existiert. 

Daher können wir diese Sache in aller Ruhe auf uns zukommen lassen und es besteht dabei keinerlei Grund zur Beunruhigung oder gar zum aktiven oder passiven Handeln. Jedoch bedanke ich mich bei allen Schwestern und Brüdern im Glauben, welche mich in dieser Angelegenheit sorgenvoll kontaktiert haben. Mitdenken und Wachsamkeit sind zwei der essentiellen Tugenden, welche der Schwestern- und Bruderschaft die Existenz und das Handeln seit so vielen Äonen aus dem Verborgenen heraus ermöglichen. 

Mit tief spirituellen Grüßen

Brian McKinley 

Brigadegeneral, Chef der Abteilung Abwehr äußere Gefahren